Warum *„Dinner for One“* seit 60 Jahren unseren Silvesterabend prägt

Warum *„Dinner for One“* seit 60 Jahren unseren Silvesterabend prägt
Jedes Silvesterabend versammeln sich Millionen in Deutschland und Österreich, um Dinner for One zu schauen – eine Schwarz-Weiß-Sketch aus den frühen 1960er-Jahren. Der Kurzfilm mit Freddie Frinton in der Rolle des Butlers James ist längst zur Festtagstradition geworden und verbindet Slapstick, Einsamkeit und die starren Rituale der britischen Oberschicht. Im Mittelpunkt steht eine Feier zum 90. Geburtstag, bei der die einzigen Gäste längst verstorben sind und der einzige Darsteller der zunehmend betrunkene Butler selbst ist.
Die Szene spielt in einem prunkvollen, aber verblassten englischen Salon, der mit den Insignien des Adels geschmückt ist. Miss Sophie, die letzte ihrer Gesellschaftskreise, besteht darauf, ein opulentes Geburtstagsdinner für ihre vier „liebsten“ Freunde auszurichten – die alle nicht mehr am Leben sind. James, ihr Butler, muss nicht nur das Essen servieren, sondern auch jeden Gast verkörpern, zwischen Stühlen und Stimmen wechselnd, während die Gänge serviert werden.
Das Dinner folgt einem ausgeklügelten Ablauf: Jedes Gericht wird mit einem bestimmten Getränk kombiniert – Sherry zur Suppe, Weißwein zum Fisch, Champagner zum Hähnchen, Portwein zum Obst. Diese Rituale, einst Symbole kolonialen Reichtums und Standesdünkels, wirken nun hohl. James’ wachsende Trunkenheit unterbricht die Förmlichkeit, doch die Vorstellung geht weiter. Er stolpert über den Tigerfell-Teppich – ein Requisit für die körperbetonte Komik, aber auch ein Symbol für eine Gesellschaftsordnung, die an ihren eigenen Relikten festhält. Miss Sophies Einsamkeit wird nie direkt betrauert; sie erscheint als natürliche Folge eines Lebens, das auf starren Konventionen aufgebaut ist. Die Gäste existieren nur in James’ immer unsicherer werdenden Darbietungen, ihre Abwesenheit unterstreicht die Absurdität des Anlasses. Am Ende ist das Dinner zur Farce verkommen, doch das Ritual hält sich – ganz wie Silvester selbst, das oft die Wiederholung um ihrer selbst willen feiert.
Ursprünglich von Roy und May Warden verfasst, hat Dinner for One seine Schöpfer überdauert und ist zu einem kulturellen Phänomen geworden. Jede Wiederholung unterstreicht seine zentralen Themen: die Leere der Tradition, die Zerbrechlichkeit der sozialen Ordnung und die stille Verzweiflung, die sich hinter Höflichkeit verbirgt. Für das deutschsprachige Publikum macht die Mischung aus Melancholie und Humor den Sketch zum perfekten Begleiter für einen Feiertag, der – wie das Dinner selbst – sowohl fröhlich als auch ein wenig absurd ist.

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